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glass half full or half empty

Framing

06.05.2022

Wenn man einen Text oder einen Artikel schreibt, ist das Ziel in der Regel, die Lesenden vom Geschriebenen zu überzeugen. Journalist/-innen und Autor/-innen müssen sich dabei nicht alleine auf ihre literarischen Fähigkeiten verlassen. Die Kommunikationswissenschaft bietet Tools, die eine gewisse Einflussnahme auf die Lesenden ermöglichen. Eines dieser Kommunikationswerkzeuge ist Framing – im deutschsprachigen Raum erst seit einigen Jahren thematisiert, in den USA schon seit den 70er Jahren bekannt. Doch was ist Framing? 

Definition

Der Begriff beschreibt ein bestimmtes Kommunikationsverhalten – die bewusste Auswahl, welche Informationen man wie in einer Nachricht präsentiert. Fakten werden gezielt selektiert und gemäß dem eigenen Duktus aufbereitet. Der ursprüngliche Zweck – eine vereinfachte Darstellung komplexer Themen – verkommt zur Meinungsmache. Wenn dem Publikum ein Teil der Informationen vorenthalten wird, ist die Grenze zur Manipulation schnell erreicht. Die Möglichkeit, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden, wird beeinflusst, die Nachricht wird zur Botschaft oder bei totalitären Staaten zur Propaganda. Das Vorgehen ist subtil: Fakten komplett wegzulassen ist nicht nötig, Tonalität und Stimmung reichen aus, um unbewusst Einfluss auf sein Publikum auszuüben. 

Tatsächlich macht es schon einen Unterschied, ob sich Kommunikation auf die positiven oder auf die negativen Aspekte einer Sache konzentriert. Denn Fakten werden in mentale Kategorien eingeordnet, die in Form von komplementären Begriffspaaren – Dichotomien – existieren. Glück/Unglück, Tod/Leben, Liebe/Hass – zwei Seiten einer Medaille, die beeinflussen, wie wir etwas wahrnehmen, bewerten und letztlich zu einer Sache stehen. Ein beliebtes Beispiel ist das „halb volle Glas“ – oder war es halb leer? Positiv oder negativ, gut oder schlecht, Optimismus oder Pessimismus. Durch einfache Wortwahl kann die Atmosphäre beeinflusst werden, der emotionale Rahmen ist damit vordefiniert. 

Wie Sprache uns steuert

Sprache dient nicht nur zur bloßen Beschreibung der Realität, sie ermöglicht es, eine eigene Welt zu formen und Emotionen zu erzeugen. Das ist die Stärke der Literatur, das geschriebene Wort wird im Kopf lebendig. Was aber, wenn sich dieser Stärke in einem Kontext bedient wird, der eigentlich Neutralität verlangt? Neben dem Inhalt beeinflusst auch die Wortwahl, wie eine Sache beim Gegenüber ankommt. Nicht nur einzelne Medienbeiträge, sondern komplette Debatten bis hin zum öffentlichen Diskurs werden mit bestimmten Begrifflichkeiten „umrahmt“, um diese in eine gewünschte Richtung zu lenken. Mit Wörtern sollen Bilder im Kopf erzeugt werden, die Gefühle hervorrufen. Metaphern wie Marathon oder Sprint, oder Begriffe wie Welle und Lawine. Ziel ist immer, Ereignissen eine Konnotation, eine assoziative Bedeutung zu geben. Krise oder Wandel – Gefahr oder Fortschritt. Framing ist nicht nur die Darstellung derselben Sache aus unterschiedlichen Perspektiven, wie etwa ein halb volles oder halb leeres Glas. Durch die Wahl verschiedener Formulierungen werden vollkommen unterschiedliche Sachverhalte impliziert. 

Framing wird in der Theorie in zwei unterschiedliche Kategorien eingeteilt: „Equivalence Framing“ und „Emphasis Framing“. Equivalence Framing beschreibt den bloßen Einsatz eines Perspektivwechsels in der Kommunikation – 70 % Überlebenschance zu 30 % Sterberisiko, oder umgekehrt – je nach gewünschter Tonalität. Bei Emphasis Framing geht es um die Verwendung eines bestimmten Vokabulars und den Fokus auf einzelne Aspekte des Themas zur Erzeugung einer gefühlsgesteuerten Reaktion. Hier kommt ein ureigenes menschliches Bedürfnis zum Tragen, der Wunsch, Sachverhalte in emotionale Kategorien einzuordnen. Urinstinkte wie Angst und Neugier werden getriggert und sorgen mit erlernten Schemata dafür, dass wir uns schnell eine Meinung bilden. Unsere Entscheidungen sind durch diese erlernten Deutungsmuster geprägt. Einfach ausgedrückt spricht man vom Schubladendenken – und Schubladen sind nicht anderes als Frames. Aber woher kommen die Schubladen, die in unseren Köpfen existieren und wie können diese beeinflusst werden?

Wenn Frames zum Problem werden

Wie Frames in den Medien Verwendung finden könnten, konnte man unlängst in einem Framing-Manual, das im Auftrag der ARD verfasst wurde, nachlesen. Dort ist unter anderem zu lesen: „nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen“. „Wahrnehmungsalternative“ – die Nähe zum Begriff der alternativen Fakten war an dieser Stelle sicherlich nicht gewollt und doch wird sofort ein Frame im Kopf aktiviert. Denn der Begriff „alternative Fakten“ ist in Deutschland klar negativ konnotiert. Ein eigentlich werteneutraler, neuer Begriff hat sich innerhalb weniger Jahre tief in unser mentales Gedächtnis eingebrannt. Wird in der Berichterstattung von alternativen Fakten gesprochen, wissen wir direkt, was gemeint ist. Alternative Fakten verbinden wir mit Lügen und Verschwörungstheorien. Ohne z. B. den Ex-Präsidenten Trump einen Lügner zu nennen, reicht die Erwähnung des Begriffs aus, um zu verstehen, dass der/die Autor/-in die Meinung des Ex-Präsidenten offenbar nicht teilt und unterbewusst stimmen wir diesem Empfinden zu.

So entstehen Frames – neue Deutungsmuster, die durch eine ständige Wiederholung bestimmter Begriffe im Zusammenspiel mit negativ oder positiv empfundenen Ereignissen erzeugt werden. Man könnte auch sagen, der Mensch ist nichts anderes als ein lebendiger Algorithmus – und dieser lässt sich umprogrammieren. Wie wir etwas beurteilen und letztlich handeln, hängt von den Deutungsmustern oder Frames in unserem Kopf ab. Reicht es nicht, diese zu triggern, um eine gewünschte Reaktion zu erreichen, werden neue Frames erschaffen. Framing kann also durchaus dazu dienen, die Meinungen zu beeinflussen. Auf negative Kritik betont die ARD, dass es sich beim Framing-Manual lediglich um eine Studie handelt und Framing bei den öffentlich-rechtlichen Sendern keine Anwendung findet. 

Dieses Beispiel zeigt, wie problematisch der Einsatz von Frames in der Kommunikation offizieller Stellen und Kanälen ist. Während bei Werbung eigentlich jeder weiß, dass diese nicht uneigennützig produziert wird, erwarten wir von Nachrichtensendungen Objektivität. Gerade deshalb fällt es Menschen oft schwer, Frames zu erkennen. Ist Framing nun also Manipulation oder einfach nur ein Tool, um Sachverhalte effektiv zu kommunizieren? Sowohl als auch, denn Frames entsprechen einem menschlichen Urinstinkt – die Welt um uns herum zu vereinfachen und zu strukturieren. Nur so lässt sich der Glaube an die eigene Handlungsfähigkeit aufrechterhalten. Ob und wo der Einsatz von Framing in Medien opportun ist, lässt sich nicht generell sagen. Mit einer objektiven und unparteiischen Berichterstattung sind sie nur schwer in Einklang zu bringen, Grenzen zur Propaganda oder zumindest Lobbyismus sind fließend.